Knurren geht ja gaaarnicht!! Oder?

In letzter Zeit bin ich von mehreren Leuten auf verschiedene Situationen angesprochen worden, die eines gemeinsam haben: einen knurrenden Hund der meistens eine Ressource verteidigen möchte. In einer darauf folgenden, schlaflosen Nacht hat mich das Thema sehr beschäftigt. Leider ist es immer noch weit verbreitet, dass ein knurrender (oder auch bellender) Hund aggressiv ist und man ihm das nicht durchgehen lassen darf. Das stimmt so nicht ganz und in jedem Fall waren sich alle einig: der Hund darf nicht knurren. Wer einmal mit einem Hund gearbeitet hat, der verlernt hat zu knurren, weiß- knurren ist toll! Knurren ist richtig richtig gut! Es ist im Endeffekt auch nur eine Form der Kommunikation. Der Hund drückt damit aus, dass ihm etwas nicht passt und er gerne die Situation beenden bzw. ändern möchte. Auch vor dem Knurren zeigt er das bereits durch viele andere Signale, die leider viel zu selten bemerkt werden. Fällt das Knurren auch noch weg, heißt es dann der hat „aus dem Nichts“ gebissen und selbst dann wurden meistens schon sehr viele Signale übersehen.

Wenn mich ein Hund anknurrt nehme ich mich erstmal zurück und überlege, was ich übersehen habe, was der Hund möchte und wie man die Situation angenehmer machen kann- für alle Beteiligten. Oft kann es auch sein, dass der Hund Schmerzen hat und sich deshalb ganz einfach nicht berühren lassen will. Den gesundheitlichen Aspekt will ich hier außen vor lassen, da keine der besprochenen Situationen mit Schmerzen einherging. Das sollte man aber immer im Hinterkopf behalten und gesundheitlich sollte natürlich alles in Ordnung sein.

Darf der Hund auch Familienmitglieder anknurren? Nun, er sollte es natürlich nicht! Aber im Idealfall achten alle Familienmitglieder darauf, dass es garnicht erst so weit kommt. Auch Kinder können das lernen, hier ein Zitat meiner 3-Jährigen:“Mama ich wollte kuscheln, aber Aaron wollte nicht, er hat geknurrt- ich geh!“ Im Anschluss hat er sich übrigens von selbst dazugekuschelt. Er wollte nur eben nicht in dieser Situation  und es wurde richtig erkannt! (Nebenbei gesagt: Die Zwei waren beaufsichtigt, keine Gefahr im Verzug-für alle die jetzt kurz Schnappatmung hatten. Kinder und Hunde bitte NIEMALS, niemals und absolut nicht alleine lassen!) Besonders im Zusammenhang mit Kindern hört man oft: „Der darf nicht knurren!“ Natürlich darf der das, es liegt hier in der Verantwortung der Erwachsenen, diese Situation garnicht erst entstehen zu lassen und bevor der Hund knurren muss, schon zu handeln!

Oft höre ich auch folgende Situationen: der Hund knurrt wenn man seinem Essen nahe kommt, man ihm was essbares wegnehmen möchte, wenn man seinen Lieblingsball möchte oder der Hund knurrt wenn er von einem beliebten Liegeplatz (z.B. der Couch/Bett/Fahrersitz) weg muss. Also möchte er etwas, für ihn sehr wertvolles, verteidigen. Meistens hat der Hund auch schon die Erfahrung gemacht, dass ihm das Essen weggenommen wird, er gestört wird, den Platz wechseln muss oder sogar eine unangenehme Interaktion folgt. Solchen Situationen kann man wunderbar vorbeugen. Jeder Hund sollte einen Platz haben an dem er ungestört essen kann oder einen Platz, der nur ihm gehört und an dem er in Ruhe schlafen kann. Viele Leute meinen dann immer noch: „Naja, aber er muss sich ja das Essen wegnehmen lassen, oder er muss ja jederzeit den Platz verlassen etc… „ Nein muss er nicht! Es ist natürlich auch nicht ok wenn der Hund knurrt, aber das Knurren zeigt mir einfach: es passt was nicht. Je nach Situation kann ich dann überlegen, wie ich sie für alle Beteiligten angenehmer gestalten kann oder ganz einfach für die Zukunft besser trainieren. Natürlich gibt es aber Situationen in denen man dem Hund etwas aus dem Mund nehmen muss, z.B. wenn er etwas Verbotenes oder vielleicht auch Giftiges aufnimmt. Das kann man aber von vorneherein trainieren. Auch ohne, dass der Hund das Gefühl hat, es wird ihm etwas wertvolles weggenommen. Manchmal muss man den schlafenden Hund auch aus seinen Träumen wecken, das kann man aber auch angenehm gestalten. Ich möchte auch lieber geweckt werden mit: „Guten Morgen, hast du schön geträumt?“ statt mit: „Aufstehen!“.

Aaron mag das zum Beispiel garnicht wenn man ihn um 4 in der Früh wecken will und man dabei nicht einfühlsam vorgeht. Da kann es schon vorkommen, dass er auch knurrt. Würde man ihn weiter bedrängen endlich aufzustehen, weil „der muss ja jetz“ wird er sehr ungemütlich. Würde ich auch! So ohne Vorbereitung in die Kälte raus? Mitten in der Nacht? Auch wenns da tolles geben soll? Das weiß er ja zu dem Zeitpunkt nicht. In diesem Fall hilft es, ihn einfach sanft aufzuwecken bzw. noch „5 Minuten“ zu lassen, erstmal Kaffee zu trinken und dann ist er sehr motiviert bei der Sache. Mittlerweile steht er zu jeder Uhrzeit sehr motiviert auf, weil er gelernt hat- es passiert immer was cooles. Das Signal hierfür ist übrigens: Kaffeemaschine an.

Wenn ich gerade im Cafe meinen wohlverdienten Schokokuchen bekommen habe, mein Tischnachbar aufsteht und mir den wegisst weil „er ja nur kosten wollte“ werd ich übrigens auch ungemütlich. Sehr ungemütlich. Dann kann der froh sein wenn ich nur knurre! Bietet er mir im Gegenzug seine Erdbeertorte an, überleg ich mir das zumindest mal. Das Tauschen kann eine sehr nützliche Übung sein für unsere Hunde und hat definitiv Unterhaltungswert wenn man es ausbaut. Manche Hunde kann man damit super zum Aufräumen motivieren.

Ebenso kann es sinnvoll und superpraktisch sein, dem Hund beizubringen, dass es kein großer Verlust ist, wenn er seinen momentanen Liegeplatz mal eben räumen muss. z.B. hat man dann einen vorgewärmten Autositz, oder Couchplatz. Vorraussetzung dafür ist, dass der Hund einen Platz hat der nur ihm gehört. An diesem Platz wird der schlafende Hund niemals (!!) gestört.

Also habe ich immer die Wahl, nehme ich einem Hund einfach etwas weg oder bringe ich ihm bei, dass es etwas gutes ist Dinge herzugeben die ihm wichtig sind? Oder dass es auch toll sein kann, mitten aus dem Tiefschlaf geweckt zu werden? Bringe ich ihm bei, mich erst zu fragen, wenn er draußen leckere essbare Sachen findet, anstatt sie wie ein Staubsauger zu verschlingen? Oder bringe ich dem Hund bei, dass sein Knurren eh keinen Sinn macht und er nächstes Mal gleich eine Stufe höher einsteigt auf der Eskalationsleiter? Bringe ich ihm bei, dass ich ihn verstehe und wir immer eine Lösung finden mit der alle zufrieden sind?

Ob es einen Grund gibt zu knurren bestimmt übrigens immer der Hund, wäre es keiner würde er auch nicht knurren.

Ich höre auch jetzt gerade im Kopf Kommentare wie z.B. “ Naja, aber damit belohne ich das Knurren ja!“ JA EH! Dadurch dass man seine Bedürfnisse beachtet, wurde meines Wissens noch kein Hund aggressiv. Wer das jetzt immer noch denkt, scrollt bitte nach oben und fängt von vorne an.

Zum Thema Giftködertraining (also leckere Sachen draußen nicht runterschlingen und verteidigen, sondern anzeigen bzw. wieder hergeben) gibt es übrigens-neben vielen anderen guten- ein tolles Buch von Sonja Meiburg: http://markertraining.de/antigiftkoedertraining/

Ein gutes Video für den Aufbau vom „tauschen“ bzw. „aus“ oder wie auch immer man es nennen will ist z.B. Chiraq Patel https://www.youtube.com/watch?v=ndTiVOCNY4M oder auch bei Kikopup https://www.youtube.com/watch?v=tVivnOwiMoA

Die Eskalationsleiter: https://www.animal-learn.de/tipps-rund-um-den-hund-kat/193-eskalationsleiter.html

Ein Buch zu den Beschwichtigungssignalen des Hundes: https://www.heyn.at/list?back=504b85abbb87054d3033345c605bcfff&xid=10679567

Wenn man sich noch mehr mit der Körpersprache der Hunde beschäftigen will, ist die DVD von Dr. Ute Blaschke- Berthold eine unbedingte Empfehlung: https://www.heyn.at/list?back=3e2e911d68b4014f96184e021c95526a&xid=30805516

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